Latte Art: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 26. Januar 2008, 17:27 Uhr
Definition
Die Kunst Caffè Latte oder Cappuccino so zuzubereiten, dass die eingegossene Milch eine Figur oder ein "Bild" ergibt. Baristas weltweit wetteifern jedes Jahr auf so genannten "Barista Championships" darum wer die beste Latte Art herstellen kann. Die beliebteste Figur ist dabei das Blatt (auch als “Bäumchen” bezeichnet):
Das Bild entsteht dabei häufig ausschließlich beim Eingießen, und auch nicht durch Zeichnen auf der Oberfläche, sondern quasi darunter, durch Ausnutzen der Strömungskraft des Milchschaumes beim Eingießen. Was gemeint ist, läßt sich am besten in diesem Video sehen.
Anleitung
Um einen Cappuccino mit Latte Art verzieren zu können, braucht man zunächst einmal Milchschaum in der richtigen Konsistenz, nämlich cremig, viskos und trotzdem flüssig. Wie das geht, steht in dem dazugehörigen Artikel Milchaufschäumen.
Ist der Milchschaum fertig, kann es losgehen. Wie auch schon das richtige Schäumen ist auch das Gießen sehr einfach. Hier die Regeln:
1. Das Gießen sollte sofort bzw. zügig nach dem Schäumen passieren
- Nur frischer Schaum ist wirklich gut, sonst trennen sich Flüssigkeit und Schaum wieder. Wenn das sofortige Gießen aus irgendwelchen Gründen nicht möglich ist, muß der Milchschaum durch kreisende Schwenkbewegungen in Bewegung gehalten werden, um das Trennen zu verhindern. Aber das ist nur eine Notlösung, am besten ist frischer Schaum. Schwenken ist in jedem Fall eine sinnvolle Sache, denn es macht den Schaum noch einmal cremiger und feinporiger.
2. Umgießen nach dem Aufschäumen
- Wird in der 0,6-Liter Kanne geschäumt, sollte man ca. ein Drittel der Milch direkt nach dem Schäumen in eine andere Kanne umgießen. Normalerweise setzt sich der Schaum im Kännchen relativ schnell oben ab, aber auch wenn man die Milch durch Schwenken vermischt, wird oben immer etwas mehr schaumige Konsistzenz sein, als am Boden des Kännchens. Die Folge: Der Schaum ist beim ersten Cappuccino zu dickflüssig, für den zweiten zu dünn. Durch Umgießen erhält man für beide Cappuccino in etwa die gleiche Milchschaumkonsistenz (siehe Illustration auf der rechten Seite). Die Reihenfolge sollte dabei sein: Aufschäumen, Schwenken, Abgießen, ersten Cappuccino gießen, abgegossene Milch zurückgießen, Schwenken, zweiten Cappuccino gießen.
3. Der erste "Schluck" muß sitzen
- ...denn der Milchschaum muß unter die Créma. Das Muster ensteht ja wie gesagt nicht durch zeichnen, sondern durch die wirbelnde Stömung des Milchschaums beim Eingießen. Und zwar ganz unkompliziert. Kanne gegen den Tassenrand und vorsichtig kippen. Fertig. Keine Hektik, kein Ruck, keine Vorsicht. Einfach nur gegen den Rand stützen und kippen. Die Bewegung des Schaumes ist dann genau richtig, um unter die Crema zu kommen und der "Fluß" läßt sich gut unter Kontrolle halten. Das anvisierte Ziel sollte dabei nicht die Mitte der Tasse sein, sondern ein Punkt versetzt davon. Keine Scheu, das ist wirklich sehr einfach.
- Sehr gut läßt sich das ganze in diesem weiteren Video eines Profis sehen. Dort sieht man auch die Bewegung, die man machen muß, um ein Bäumchen zu zeichnen.
4. Die Bewegung beim Gießen
- Dies ist das einzige, was Übung erfordert. Die Lernkurve ist am Anfang sehr steil, die Feinheiten dagegen beherrscht man erst nach einiger Routine. Immer daran denken, daß die Strömung die Musik macht, d.h. der Fluß in die Tasse sollte nicht tröpfeln, sondern schon “selbstbewußt” sein. Am Anfang kann man erstmal ohne das ganze Hin und Her für das Blattmuster üben, um ein Gefühl für das Eingießen selbst zu bekommen.
- Das Blattmuster bekommt man (wie im Video zu sehen) hin, indem man auf der gleichen Stelle mit der Kanne leicht und schnell hin- und herschwenkt. Das ergibt das Zick-Zack-Muster, der “Stiel” wird durch die Abschlußbewegung (senkrecht zu den Schwenkbewegungen) erreicht. Am besten wirklich im Video zu sehen.
- Man mag sich nach ein paar Versuchen fragen, wann denn nun die eigentliche Figur in der Tasse "auftaucht". Das ist unterschiedlich, je nach Gießgeschwindigkeit, Tassenform, Caffè etc. Entscheidend ist, mit den Bewegungen nicht zu spät anzufangen - ganz nebenbei hilft man damit dem "Auftauchen" auch ein bißchen auf die Sprünge. Neben den obigen Videos von Marcus kann man das auch in diesem Video oder auch in diesem schon im Aufschäum-Artikel verlinkten Video gut sehen.
Tja: Das ist das ganze Geheimnis, denn wenn die Form der Tasse halbwegs normal ist (v.a. ein runder Boden oder Runde Seitenwände, keine zylindrischen Formen, siehe auch unten die Tips), kann nach dem Kippen erstmal grundsätzlich nichts mehr schiefgehen. Klar, für ein präzises Ergebnis braucht man Übung. Aber nicht für das grundsätzliche Vorgehen: Wenn der Schaum nicht zu dick ist (siehe Milchaufschäumen) und man den ersten "Schluck" richtig in die Tasse bringt (s.o.), entsteht IMMER irgendein Ansatz von Latte Art. Wie gekonnt die Figur dann wird, hängt vor allem von der Übung ab, ein bißchen vielleicht auch von der Begabung.
Equipment-Tips
Milch
Milch = Equipment? Naja, irgendwie schon, denn wenn das Werk nicht danach aussieht, als ob es auf dem WBC einen Preis gewinnen würde, dann kann das auch an der Milch liegen. Merkwürdig aber wahr: Wie bereits im Aufschäum-Artikel erläutert, besitzen unterschiedliche Marken unterschiedliche Qualitäten beim Aufschäumen. Wer das nicht glaubt, kann als Referenz mal die Milch von Bärenmarke ausprobieren, die am feinsten schäumt. Bezüglich des Fettgehaltes ist es im Zweifel (aber nicht immer) so, daß ein höherer Fettanteil in der Milch auch cremigeren Milchschaum bedeutet. Also ruhig die Sorten mit "mind. 3,8% Fett" durchprobieren.
Ein klassisches Problem ist das schnelle "Zusammenfallen" von ansonsten korrekt geschäumtem Milchschaum, was den Cappuccino dann schnell unappetitlich aussehen läßt und sich das Latte-Art-Bild in ein "Gerippe" verwandelt (siehe Bild, in der Vergrößerung besser zu erkennen). Die Ursache dafür liegt allerdings nicht in der Milch, sondern in der Kaffeesorte. Der Caffè "greift" den Milchschaum an und sorgt dafür, daß er sich schneller zersetzt. Dieses Phänomen kommt besonders häufig bei reinen Arabica-Mischungen vor. Lösung dementsprechend: Kaffesorte wechseln!
Kanne
Zum Gießen von Latte Art benötigt man eine Kanne mit einer ausgeprägten Tülle. Wie bei allen Accessoires läßt sich auch über diese Nebensächlichkeit herrlich fachsimpeln, Tatsache ist jedoch, daß sich einige Kannen besser eignen als andere. Einige Marken sind z.B. Paderno, WAS, La Potenza, Alessi und Motta.
- Als besonders geeignet werden beispielsweise die Kannen von Paderno bewertet (über Ebay erhältlich), sie haben eine ausgeprägte Tülle und eine sehr gute Verarbeitung (Materialstärke etc.), und das bei einem (in Fachkreisen relativ günstigen) Preis von ca. 14 Euro (0,6 Liter).
- Die WAS-Kännchen werden von vielen Online-Händlern als “no-name” Kannen verkauft und sind sehr verbreitet und liegen etwa in der gleichen Preisklasse wie die Paderno-Kannen, haben allerdings nicht so eine große Tülle sowie eine geringere Materialstärke.
- La Potenza fertigt Kannen in “Überlänge”, die von der Qualität her ebenfalls top notch sind, und dementsprechend in einer ähnlichen Preislage bewegen wie die Alessi Kannen. Die Berliner Kaffee-Kette Einstein, die bekannt für das Verwenden von High-End-Equipment (und für guten Caffè) sind, benutzen beispielsweise diese Kannen.
- Die Kannen von Alessi sind eher teuer (62 Euro für das 0,5-Liter-Modell namens 103/50 und 75 Euro für das 0,75-Liter Modell 103/75), aber sowohl vom Material als auch vom Handling her von denen, die sie besitzen als die besten bewertet. Die hohe Materialstärke führt zu einem höheren Gewicht, das einerseits eine hohe Wertigkeit vermittelt, andereseits jedoch von einigen als nachteilhaft für das Gefühl für den Fluß beim Eingießen empfunden wird. Die Tülle der Alessi-Kannen ist dagegen unbestritten am besten ausgeprägt. Bezugsquellen: Amazon, Karstadt, Artvoll u.a.
- Seit einiger Zeit erfreuen sich auch die Kannen von Motta großer Beliebtheit. Sie liegen qualitativ auf Alessi-Niveau, preislich allerdings zwischen Paderno und Alessi. Die Punkte der Alessi (hohes Gewicht, ausgeprägte Tülle) gelten auch für die Motta-Kannen. Bezugsquellen: Pasmarose, Kaffeezentrale u.a.
Siehe zum Vergleich von verschiedenen Kannen auch diesen Thread im Kaffee-Netz Forum
Tassen
Das Gelingen kann von der Tassenform abhängen, muß aber nicht. Es gibt Tassen, in denen Latte Art gar nicht gelingt (z.B. die großen müslischalenartigen 500-ml-Tassen von IKEA), obwohl sich das logisch nicht erschließt, in einem Glas dagegen kann Latte Art ebenso gut gelingen wie in einer Tasse.
Falls die Tassenform die Ursache ist, gilt Folgendes: Damit die Strömung in der Tasse sich wie gewünscht einstellt, sollte die Tassenform so beschaffen sein, daß der Tassenboden keine scharfe Kante aufweist und die Seitenwände (im Profil) eher rund geformt sind. Auch von Vorteil: Wenn sich die Oberfläche beim Eingießen dehnt. Da das in Worten relativ schlecht zu beschreiben ist, hier eine Illustration:
Wenn der Tassendurchmesser auf der Höhe der Espresso-Oberfläche (vor dem Eingießen der Milch) kleiner ist als der Durchmesser der Tasse oben am Rand, dann "dehnt" sich doch die Cremafläche ganz einfach schon durch das Auffüllen mit Flüssigkeit und sollte demnach leichter aufbrechen.
Links
Danke
Danke an die Mitglieder des Forums Kaffee-Netz.de, insbesondere an
- Marcus ("nobbi-4711"): Für seine zahlreichen Tips und für seine Rolle als Protagonist in den oben verlinkten Videos
- blu ("blu"): Für das Aufnehmen ebendieses Videos auf dem Boardtreffen 2006
- Steffen ("steffenk"): Für das Thematisieren der Kännchenqualität
- Roger ("bubikopf"): Für das Foto der La Potenza Kanne
- Stefan ("Stefan"): Für das Foto der Alessi Kanne
- T0m: Für das Foto der Motta Kanne
- Alle unbekannten und bekannten Editoren, die die Tipp- und Rechtschreibfehler in diesem Artikel beseitigt haben und weiter beseitigen.
- Alle anderen für die Ratschläge und Diskussionen
Autor: Christian Weinert