Milchaufschäumen

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Anmerkung zum Anfang:

Dieser Artikel (und der dazugehörige, weil anschließende über Latte Art) erscheint auf den ersten Blick relativ lang. Ist er vielleicht auch, gleichzeitig ist das Ziel dieses Artikels, wirklich keine Fragen offen zu lassen. Nach dem Lesen dieser Anleitung schafft es jeder.


Die komplette Anleitung ist in zwei Teile geteilt:

  1. Einen Artikel zum Schäumen (dieser hier) und
  2. einen zum eigentlichen Gießen der Latte Art.

Fortgeschrittene, die nur Latte Art lernen wollen, können die ihnen bekannten Punkte überspringen, oder den Artikel Latte Art für Fortgeschrittene lesen, der mit einer anderen Didaktik direkt typische Missverständnisse der Latte Art behandelt.


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Vorbereitung

  1. Milchkännchen zur Hälfte mit Milch füllen. Immer. Wenn man guten Milchschaum haben will, kann die Füllhöhe nicht variiert werden. Will man weniger Milch schäumen, muss man eine kleinere Kanne nehmen. Warum? Sonst stimmen die Proportionen (Füllhöhe und Oberfläche) nicht mehr, um richtig Schäumen zu können. Klingt komisch, aber für den Anfang einfach erstmal akzeptieren und dann erst später verstehen. ;-)
  2. Die Milch muss kalt sein. Das hat einen ganz einfachen Grund: je kälter die Milch, desto mehr Zeit hat man als Barista mit dem Schäumen. Der Dampf heizt die Milch natürlich auf, und wenn man zu lange schäumt, wird die Höchsttemperatur überschritten, so dass der Schaum nicht gut wird. Also: Je kälter die Milch, desto einfacher das Schäumen.
  3. Kännchen direkt in der Hand halten
    Kännchen direkt in die Hand. Damit man weiß, wann Schluss ist mit Schäumen, nimmt man das Kännchen am besten direkt in die Hand und nicht am Griff. Alternativ kann man auch eine Hand an die Kännchenwand legen, um die Temperatur mit dieser Hand zu fühlen. Die Höchsttemperatur liegt übrigens bei ca. 60°C, praktischerweise ist das genau die Temperatur, die man gerade noch so eben als “aushaltbar” empfindet. Wenn diese Temperatur erreicht ist, ist Schluss mit Schäumen – und zwar in jedem Fall. Denn: Was man bis dahin nicht an Schaumqualität erreicht hat, holt man danach nicht mehr heraus. Kurz bevor es anfängt wehzutun, macht man also den Dampfhahn zu. Danach fängt das Milcheiweiß an zu gerinnen, der Schaum wird fester: Bauschaum, und den will ja niemand.
  4. Kondenswasser ablassen. In der Dampflanze befindet sich schon nach 10-20 Sekunden Nichtbenutzung Kondenswasser. Deshalb vor jedem Schäumen kurz das Ventil aufdrehen bis nur noch Dampf kommt. Dazu kann man eine andere Kanne unter die Dampflanze halten. Dann Ventil zu, mit Milch gefülltes Kännchen nehmen und es kann losgehen.

Schäumen

1. Die richtige Position der Dampflanze

Optimale Lanzenposition (roter Pfeil=Sollbewegung der Milch)
Wirbelbewegung beim Ziehen und Rollen bei richtiger Positionierung (schematisch)

Die Lanze muss nicht in die Mitte der Kanne, sondern etwas versetzt eingetaucht werden, so wie die Nadel auf einer Schallplatte liegt (siehe unten). Diese Stellung ist wichtig, damit die Milch beim Schäumen in eine Wirbelbewegung versetzt wird, die wie in einer Steilkurve immer an der Wand entlang verläuft (roter Pfeil). Die Position und genaue Ausprägung dieser Wirbelbewegung ist je nach Maschine und der Stellung der Lanze (schräg wie bei der Carimali Uno oder weniger schräg wie bei den meisten anderen Maschinen oder ganz gerade wie bei der Gaggia Classic Coffee) etwas unterschiedlich, das weitere Prozedere ist jedoch bei allen Maschinen gleich. Sehr zu empfehlen ist es, die Tülle der Kanne als Führung für die Dampflanze zu benutzen, sofern das (je nach Maschine) geht.

Tipp: Die Position lässt sich sehr gut finden, indem man mit Wasser statt Milch übt. Hier kann man ohne Hektik herumprobieren, bis man die richtige Position für die Wirbelbewegung der Flüssigkeit gefunden hat. Bei einigen Maschinen muss man das Kännchen ankippen, bei anderen nicht.


2. Volldampf: Ziehen und Rollen

Jetzt geht’s los, aber erst lesen, denn die Beschreibung ist ausführlich, das Prozedere dagegen sehr schnell. Entgegen vieler Darstellungen selbst in guten Büchern unterscheidet sich die Tätigkeit des Barista bei der Zieh- und Rollphase nicht wirklich: Die oben beschriebene Position der Dampflanze wird nicht geändert (!), lediglich die Eintauchtiefe, und auch diese nur leicht! Wenn die Tülle zur Führung verwendet wird, ist dies noch einfacher.

Ziehen

Zunächst die Ziehphase, um Luft unterzuheben. Dazu muss der Kopf der Lanze ganz knapp an der Oberfläche der wirbelnden Milch “kratzen”, man erkennt die richtige Tiefe daran, dass man ein Schlürfgeräusch hört. Am einfachsten kommt man dort hin, indem man sich “vortastet”: Lanze rein, Dampfhahn auf, Wirbelbewegung abwarten (1-3 Sekunden, je nach Dampfpower), und dann die Lanze so wieder rausziehen, dass gerade eben keine Luft eingezogen wird. Von dort kann man dann ganz vorsichtig ein bisschen zurückziehen, bis das Schlürfen einsetzt. Das Schlürfen kann auch immer wieder kurz aussetzen, die Oberfläche bewegt sich ja.

Rollen

Wenn sich das Volumen der Milch ein wenig vergrößert hat (nicht verdoppelt, sondern ungefähr um die Hälfte zugelegt), die Lanze wieder eine Idee zurück in die Milch schieben.

Achtung:
Die Tiefe des Eintauchens ist auch beim Rollen eher gering. Auch dies gehört zu den Fehlbeschreibungen selbst in guten Büchern, dass man zum Rollen die Lanze schön tief in der Kanne versenken muss. Falsch! Was man braucht ist nur die Tiefe, die gerade eben keine Luft unter die Milch zieht. Wenn man tiefer geht, wird der Schaum nicht effektiv genug verwirbelt und wird nicht so glatt und cremig. Sobald’s zu heiß wird an den Flossen: Dampfhahn zu!


Milchschaum Mythos #3: Schön viel Volumen

Merke: Das Volumen sollte nicht stark zulegen (ca. 50%). Deshalb auch nicht lang ziehen, wenig Rollen, sondern genau umgekehrt. Das Zeitverhältnis zwischen Ziehen und Rollen sollte ca. 1:3 sein.


Die detaillierte Beschreibung führt vielleicht von der Zeitvorstellung des ganzen Prozesses in die Irre, in der Praxis geht der aber relativ schnell, wenn man einmal die Lanzenposition für obige "Milchbewegung" gefunden hat. Also Lanze rein, Dampf auf, Wirbeln, dann kurz ziehen, Lanze wieder ein bisschen zurück, weiterrollen bis auf Temperatur (zu heiß für die Pfoten), fertig.

Nach dem Schäumen kann das Kännchen kurz auf die Tischplatte geschlagen werden (als würde man es mit Schmackes abstellen), um die letzten groben Luftbläschen zu beseitigen. Schwenken hilft, um den Schaum gleichmäßiger verteilt zu halten oder nach dem Schlagen wieder ein wenig zu vermischen. Danach sofort mit dem Eingießen beginnen und wenn gewünscht Latte Art gießen. Wie das geht, steht hier.

3. Nicht vergessen: Sofort reinigen!

Milch ist kein Produkt, dessen Reste man gerne irgendwo vergammelt sammeln möchte, und schon gar nicht in der Espressomaschine. Ja, richtig: In der Maschine. Denn beim Zudrehen des Ventils entsteht durch das Abkühlen des Dampfes in der Lanze in Sekundenbruchteilen ein Unterdruck, so daß etwas Milch angesogen wird. Deshalb nach jedem Aufschäumen nicht nur die Lanze von außen mit einem sauberen und feuchten Lappen reinigen, sondern auch noch einmal kurz für einen Dampfstoß aufdrehen, damit die Milchreste aus der Lanze gepustet werden. Man kann dazu einfach das Kännchen nehmen, das man schon für das Ablassen des Kondenswassers genommen hat, oder - das spart einen Arbeitsgang - den Lappen um die Lanze legen, mit dem man gerade außen gereinigt hat.

Die Latte-Art-Checkliste

Checkliste

Hier zum Ausdrucken auf A4 (ein JPEG in 300dpi, weil man hier keine PDFs hochladen kann, gibt aber ein sauberes Druckbild) eine Checkliste, um sie neben die Espressomaschine zu legen:

Video

Der komplette Prozess des Aufschäumens in einem 0,6er-Kännchen läßt sich in diesem Video sehen. Dort zu sehen/hören:

  • Die "Tonarmposition" der Dampflanze
  • Die "Führung" der Kanne mit der Tülle an der Dampflanze
  • Die Wirbelbewegung der Milch
  • Die Schlürfgeräusche beim Ziehen
  • Den geringen Unterschied der Eintauchtiefe beim Ziehen und Rollen

Bitte auch die Beschreibung auf Youtube lesen bezüglich der Einschränkungen des Videos.

Maschinenspezifische Tips

Hier noch ein paar Tips, die sich spezifisch auf bestimmte Espressomaschinen beziehen.

Gaggia Classic Coffee

  • Zusammenbau
    Innenansicht
    Modifikation: Die Classic Coffee besitzt standardmäßig ein sog. Panarello, eine Aufschäumhilfe, die einem das Milchschäumen auch ohne großartige Kenntnisse ermöglichen soll. Das Problem dabei ist, dass dadurch “richtiger” Milchschaum nur schwer möglich ist, weil man keine Kontrolle über Ziehen und Rollen hat. Hier hilft ein Austausch der Dampflanze gegen die von der Rancilio Silvia (gibt es z.B. bei EspressoXXL, Artnr. R9046 + Adapter 520680). Ganz nebenbei sieht die Silvia-Dampflanze auch noch professioneller aus. Das Dampfrohr kann entweder mit einem Adapter angebracht werden oder mit der Mutter der Gaggia Dampflanze.
  • Bei der Montage mit dem Adapter wichtig: Der Adapter muß innerhalb des Gehäuses liegen, damit er nicht beim Entnehmen des Wassebehälters im Weg ist. Dazu muß das Dampfrohr entsprechend gebogen werden. Achtung, das Biegen muss sachte (!) erfolgen, denn das Rohr knickt schnell - schneller als man denkt! Das Rohr wird dann inkl. Dampflanze an das Dampfventil verbaut, da bei montiertem Dampfrohr kein Zugang zum Adapter besteht. Beim Anziehen des Adapters immer mit einem zweiten Gabelschlüssel gegenhalten. Funktioniert sehr gut. Dieser Tip kommt von Joho
  • Die bessere Alternative: mit Originalschraube (funktioniert nicht beim Austausch gegen den Panarello -- jedenfalls nicht, ohne diesen zu zerstören --, da sich dort die Mutter nicht abziehen lässt.) Vorteil: Man spart sich das Öffnen des Gehäuses (Garantie) und das (gefährliche) Verbiegen des Dampfrohres. Um die Mutter der Gaggia-Dampflanze von dieser abzuziehen, muss die Dampflanze etwas gerader gebogen werden, da man sonst nicht um den Knick kommt. Die Silvia Dampflanze muß ebenfalls Ihrer Originalschraube entledigt werden, hierzu die Düse von der Dampflanze abschrauben und den Gummischutz an der Krümmung abziehen, evtl. vorhandene Dichtungsringe und die Metallscheibe auch entfernen. Dann kann die Mutter der Gaggia-Dampflanze auf die neue Dampflanze geschoben und wieder mit dem Dampfrohr verschraubt werden.
  • Eine weitere Alternative: die Dampflanze der alten Coffee Gaggia paßt perfekt - allerdings läßt sie sich als Ersatzteil offensichtlich nicht mehr nachbestellen. Dieser Tip kommt von Martin
  • Timing beim Umschalten auf Dampftemperatur: Ein Geheimtip für maximale Dampfpower ist, nach dem Umschalten nicht bis zum Leuchten der Lampe zu warten, sondern den Dampfhahn zunächst sofort für ca. 10 Sekunden zu öffnen, um das Kondenswassser abzulassen. Nach weiteren 30 Sekunden dann mit dem Schäumen beginnen, ohne auf das Lampensignal zu warten. Effekt: Der Dampf hält deutlich länger an, weil die ganze Zeit von der Maschine geheizt wird. Diese Tipps kommen von Andreas ("DierdreDipstick") und Bernhorst ("bernhorst") aus dem Kaffee-Netz-Forum
  • Zur Gaggia CC gibt es auch schöne Videos von Andreas im Kaffee-Netz, die oben genannte Punkte illustrieren.

Vibiemme Domobar

  • Modifikation: Mit der Standard 4-Loch Düse haben viele Anwender Probleme, die meist durch den Austausch gegen eine 2-Loch-Düse behoben werden (auch z.B. bei EspressoXXL). Dieser Tip kommt von Frank ("coffeeslave") aus dem Kaffee-Netz-Forum
  • Timing beim Umschalten auf Dampftemperatur: Sofort nach dem Betätigen des Dampfschalters das Ventil aufdrehen, um das Kondenswasser abzulassen. So ungefähr 10-20 Sekunden offen lassen bis nur noch Dampf kommt, dann Ventil wieder zu. Aber dann auch hier nicht warten bis die Heiz-Lampe ausgeht, sondern vorher anfangen zu schäumen. Effekt: Die Maschine heizt noch nach während man schon schäumt und der Druck hält länger an. Dieser Tip kommt von Herrn Beilhard von EspressoXXL

Danke

Danke an die Mitglieder des Forums Kaffee-Netz.de, insbesondere an

  • Marcus ("nobbi-4711"): Für seine zahlreichen Tipps und für seine Rolle als Protagonist in den oben verlinkten Videos auf der Seite des Latte-Art-Artikels
  • blu ("blu"): Für das Aufnehmen des ersten dieser Videos auf dem Boardtreffen 2006
  • Goglo ("Goglo"): Für die Anregung, diesen Artikel überhaupt in die Kaffeewiki zu stellen
  • Christian ("qwert"): Für die Anregung mit den maschinenspezifischen Tips
  • Joho: Für die Fotos und die Montagetips im Absatz über das Dampfrohr an der Gaggia CC
  • Alle unbekannten und bekannten Editoren, die die Tipp- und Rechtschreibfehler in diesem Artikel beseitigt haben und weiter beseitigen.
  • Alle anderen für die Ratschläge und Diskussionen

Autor: Christian Weinert