Milchaufschäumen

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Anmerkung zum Anfang:

Dieser Artikel (und der dazugehörige, weil anschließende über Latte Art) erscheint auf den ersten Blick relativ lang. Ist er vielleicht auch, gleichzeitig ist das Ziel dieses Artikels, wirklich keine Fragen offen zu lassen. Nach dem Lesen dieser Anleitung schafft es jeder.


Die komplette Anleitung ist in zwei Teile geteilt:

  1. Einen Artikel zum Schäumen (dieser hier) und
  2. einen zum eigentlichen Gießen der Latte Art.

Fortgeschrittene, die nur Latte Art lernen wollen, können die ihnen bekannten Punkte überspringen, oder den Artikel Latte Art für Fortgeschrittene lesen, der mit einer anderen Didaktik direkt typische Missverständnisse der Latte Art behandelt.


Einleitung: Das Ziel des Ganzen

Zur Herstellung eines Cappuccino braucht man Milchschaum. Das Milchschäumen wird von Anfängern immer wieder als besonders schwierig empfunden. Herumstochern in der Milch, Blubbern und Spritzen, und am Ende ist der Milchschaum grobporig und fällt schnell zusammen.

Eigentlich ist das Ganze jedoch relativ einfach (und uneigentlich auch), es erfordert kein großes Geschick, sondern man muß nur wissen wie es geht, danach wird es nicht lange dauern bis man die Technik beherrscht.


An die Einsteiger: In diesem Artikel wird man Dinge lesen, die für manch einen genau das Gegenteil sind von dem, was er bisher "gelernt" hat. Davon sollte man sich nicht irritieren lassen. Am einfachsten ist es, ersteinmal alles zu vergessen, was man von anderswo kennt, insbesondere von der Gastronomie – zumindest außerhalb Italiens – oder auch aus Werbung für Saeco Vollautomaten mit Latte Macchiato auf Knopfdruck. In diesem Artikel geht es nicht um den echten italienischen Cappuccino, wie ihn sich Starbucks oder Tchibo vorstellen, sondern um den echten italienischen Cappuccino, wie er echt in Italien getrunken wird.


Bevor hier die Beschreibung losgeht, macht es Sinn, ersteinmal das Ziel der ganzen Schäumerei festzuhalten. Dass das Milchschaum ist, ist klar, aber die Beschaffenheit/Qualiät desselben ist der entscheidende Unterschied. Räumen wir mal auf mit dem ersten Anfängerfehler.


Milchschaum-Mythos #1: Schaum muß fest sein

Merke: Was man nicht haben will, ist der sog. Bauschaum. Einsteiger berichten immer wieder, Ihr Milchschaum gelänge ihnen “schon sehr gut, er ist so fest, dass ich ihn mit dem Löffel formen kann.” Genau diese Konsistenz ist es jedoch, die in Fachkreisen “verachtet” wird.


Der Milchschaum sollte vielmehr cremig sein, ähnlich nicht ganz fest geschlagener Sahne, also eine dickflüssige, viskose Konsistenz. Warum das? Nun, erstens schmeckt cremiger Milchschaum in einem Cappucino deutlich besser als Bauschaum, der einen eher an die Krone bei einem Bier denken läßt. Und zweitens hat die cremige Konsistenz einen weiteren großen Vorteil, denn:


Milchschaum-Mythos #2: Kakaopulver oben drauf

Merke: Auf einen richtigen Cappuccino gehört kein Kakaopulver!


Ja richtig: Keins! In all den Bahnhofscafés und Starbucks-Filialen mit Ihren Vanilla-flavored Latte-Cino to go (size: tall) Kaffeegetränken wird einem zwar etwas anderes suggeriert, aber so ist es. Kein Kakaopulver? Aber wie mache ich das meinen Gästen klar? Ohne Probleme, denn wenn man also schön cremigen Milchschaum hat, kann man damit durch gezieltes Eingießen der Milch Muster “zeichnen”, die sogenannte “Latte Art”. Die beliebteste Figur ist das Blatt oder Bäumchen. Hier mal ein Bild von einem Profi-Werk:

Latte Art (Quelle: LaPotenza.com)

Damit dürfte dieser Punkt geklärt sein. Bleibt nur noch die Frage: Wie kommt man da hin? Nun, ein Bäumchen wie das oben abgebildete wird man sicherlich nicht auf Anhieb zeichnen können. Aber eine Annäherung geht schnell und ist ganz einfach Die Bewertung als “einfach” ist übrigens ehrlich gemeint, denn der Autor ist selbst nicht das, was man als “motorisch begabt” einstufen könnte.

Grundlagen: Wie denn jetzt?

Als Einsteiger denkt man immer, man muss möglichst viel Schaum haben, man “stochert” mit der Dampflanze in der Milch herum, es spritzt und blubbert, aber richtig schönen Milchschaum hat man am Ende nicht. Kein Wunder, denn meistens hat man keinen Plan, was man da eigentlich machen soll. Hier ist er: Milchschaum besteht aus Milch und Luft, d.h. man muss der Milch 1. Luft unterheben und diese dann 2. möglichst gut in der Milch verteilen. Das geht nicht mit herumstochern, sondern ganz gesittet in zwei Phasen: dem sog. “Ziehen” und dem “Rollen”. Während der Ziehphase wird Luft unter die Oberfläche der Milch gezogen, während der Rollphase nicht mehr, sondern die Milch nur “durcheinandergewirbelt”, damit sich die Luft verteilt und der Schaum möglichst fein wird. Wie geht das konkret? Zunächst braucht man das richtige Equipment:

  • Espressomaschine mit Dampflanze (explizit ohne “Aufschäumhilfe”, sonst ist das ganze schwierig, siehe auch die maschinenspezifischen Tips am Ende des Artikels!)
  • Tassen in der richtigen Größe (ca. 180 ml oder ein bisschen mehr) und der richtigen Form (keine komplett senkrechten Seitenwände, je runder das Profil, desto besser)
  • Ein gutes Aufschäumkännchen mit ausgeprägter Tülle und 0,2 bis 0,7 Liter Inhalt (je nach Machine und deren Dampfpower). Für Maschinen mit kleinem Dampfboiler funktionieren die kleinen Kannen besser, weil sie nicht genug "Ausdauer" für eine 0,6-Liter Kanne haben. Für größere Maschinen kann umgekehrt ein kleines Kännchen zu Problemen führen, weil der Dampfdruck die Milch aus dem Kännchen "befördert".
  • Milch (kalt, und je höher der Fettanteil, desto cremiger wird der Schaum, also mindestens 3,5%)

Vorbereitung

  1. Milchkännchen zur Hälfte mit Milch füllen. Immer. Wenn man guten Milchschaum haben will, kann die Füllhöhe nicht variiert werden. Will man weniger Milch schäumen, muss man eine kleinere Kanne nehmen. Warum? Sonst stimmen die Proportionen (Füllhöhe und Oberfläche) nicht mehr, um richtig Schäumen zu können. Klingt komisch, aber für den Anfang einfach erstmal akzeptieren und dann erst später verstehen. ;-)
  2. Die Milch muss kalt sein. Das hat einen ganz einfachen Grund: je kälter die Milch, desto mehr Zeit hat man als Barista mit dem Schäumen. Der Dampf heizt die Milch natürlich auf, und wenn man zu lange schäumt, wird die Höchsttemperatur überschritten, so dass der Schaum nicht gut wird. Also: Je kälter die Milch, desto einfacher das Schäumen.
  3. Kännchen direkt in die Hand. Damit man weiß, wann Schluss ist mit Schäumen, nimmt man das Kännchen am besten direkt in die Hand und nicht am Griff. Alternativ kann man auch eine Hand an die Kännchenwand legen, um die Temperatur mit dieser Hand zu fühlen.

(Bild kommt noch)

Die Höchsttemperatur liegt übrigens bei ca. 60°C, praktischerweise ist das genau die Temperatur, die man gerade noch so eben als “aushaltbar” empfindet. Wenn diese Temperatur erreicht ist, ist Schluss mit Schäumen – und zwar in jedem Fall. Denn: Was man bis dahin nicht an Schaumqualität erreicht hat, holt man danach nicht mehr heraus. Kurz bevor es anfängt wehzutun, macht man also den Dampfhahn zu. Danach fängt das Milcheiweiß an zu gerinnen, der Schaum wird fester: Bauschaum, und den will ja niemand.

Schäumen

1. Die richtige Position der Dampflanze

Die Lanze muss nicht in die Mitte der Kanne, sondern etwas versetzt eingetaucht werden, so wie die Nadel auf einer Schallplatte liegt (siehe unten). Diese Stellung ist wichtig, damit die Milch beim Schäumen in eine Wirbelbewegung versetzt wird, die wie in einer Steilkurve immer an der Wand entlang verläuft (roter Pfeil). Die Position und genaue Ausprägung dieser Wirbelbewegung ist je nach Maschine und der Stellung der Lanze (schräg wie bei der Carimali Uno oder weniger schräg wie bei den meisten anderen Maschinen oder ganz gerade wie bei der Gaggia Classic Coffee) etwas unterschiedlich, das weitere Prozedere ist jedoch bei allen Maschinen gleich. Sehr zu empfehlen ist es, die Tülle der Kanne als Führung für die Dampflanze zu benutzen, sofern das (je nach Maschine) geht.


Tip: Die Position lässt sich sehr gut finden, indem man mit Wasser statt Milch übt. Hier kann man ohne Hektik herumprobieren, bis man die richtige Position für die Wirbelbewegung der Flüssigkeit gefunden hat. Bei einigen Maschinen muss man das Kännchen ankippen, bei anderen nicht.


2. Volldampf: Ziehen und Rollen

Jetzt geht’s los, aber erst lesen, denn die Beschreibung ist ausführlich, das Prozedere dagegen sehr schnell. Entgegen vieler Darstellungen selbst in guten Büchern unterscheidet sich die Tätigkeit des Barista bei der Zieh- und Rollphase nicht wirklich: Die oben beschriebene Position der Dampflanze wird nicht geändert (!), lediglich die Eintauchtiefe, und auch diese nur leicht! Wenn die Tülle zur Führung verwendet wird, ist dies noch einfacher.

Ziehen

Zunächst die Ziehphase, um Luft unterzuheben. Dazu muss der Kopf der Lanze ganz knapp an der Oberfläche der wirbelnden Milch “kratzen”, man erkennt die richtige Tiefe daran, dass man ein Schlürfgeräusch hört. Am einfachsten kommt man dort hin, indem man sich “vortastet”: Lanze rein, Dampfhahn auf, Wirbelbewegung abwarten (1-3 Sekunden, je nach Dampfpower), und dann die Kanne so wieder rausziehen, dass gerade eben keine Luft eingezogen wird. Von dort kann man dann ganz vorsichtig ein bisschen zurückziehen, bis das Schlürfen einsetzt. Das Schlürfen kann auch immer wieder kurz aussetzen, die Oberfläche bewegt sich ja.

Rollen

Wenn sich das Volumen der Milch ein wenig vergrößert hat (nicht verdoppelt, sondern ungefähr um die Hälfte zugelegt), die Lanze wieder eine Idee zurück in die Milch schieben. Achtung:
Die Tiefe des Eintauchens ist auch beim Rollen eher gering. Auch dies gehört zu den Fehlbeschreibungen selbst in guten Büchern, dass man zum Rollen die Lanze schön tief in der Kanne versenken muss. Falsch! Was man braucht ist nur die Tiefe, die gerade eben keine Luft unter die Milch zieht. Wenn man tiefer geht, wird der Schaum nicht effektiv genug verwirbelt und wird nicht so glatt und cremig. Sobald’s zu heiß wird an den Flossen: Dampfhahn zu!


Milchschaum Mythos #3: Schön viel Volumen

Merke: Das Volumen sollte nicht stark zulegen (ca. 50%). Deshalb auch nicht lang ziehen, wenig Rollen, sondern genau umgekehrt. Das Zeitverhältnis zwischen Ziehen und Rollen sollte ca. 1:3 sein.


Die detaillierte Beschreibung führt vielleicht von der Zeitvorstellung des ganzen Prozesses in die Irre, in der Praxis geht der aber relativ schnell, wenn man einmal die Lanzenposition für obige "Milchbewegung" gefunden hat. Also Lanze rein, Dampf auf, Wirbeln, dann kurz ziehen, Lanze wieder ein bisschen zurück, weiterrollen bis auf Temperatur (zu heiß für die Pfoten), fertig.

Nach dem Schäumen kann das Kännchen kurz auf die Tischplatte geschlagen werden (wie wenn man es mit Schmackes abstellt), um die letzten groben Luftbläschen zu beseitigen. Schwenken hilft, um den Schaum gleichmäßiger verteilt zu halten oder nach dem Schlagen wieder ein wenig zu vermischen. Danach sofort mit dem Eingießen beginnen und wenn gewünscht Latte Art gießen. Wie das geht, steht hier.

Video

Der komplette Prozess des Aufschäumens läßt sich sehr gut in diesem tollen Video sehen. Gut sichtbar:

  • Die "Tonarmposition" der Dampflanze
  • Die Wirbelbewegung der Milch
  • Den geringen Unterschied der Eintauchtiefe beim Ziehen und Rollen
  • Das Gießen der Latte-Art-Figur


Checkliste

Die Latte-Art-Checkliste

Hier zum Ausdrucken auf A4 (ein JPEG in 300dpi, weil man hier keine PDFs hochladen kann, gibt aber ein sauberes Druckbild) eine Checkliste, um sie neben die Espressomaschine zu legen:

Maschinenspezifische Tips

Hier noch ein paar Tips, die sich spezifisch auf bestimmte Espressomaschinen beziehen.

Gaggia Classic Coffee

  • Modifikation: Die Classic Coffee besitzt standardmäßig ein sog. Panarello, eine Aufschäumhilfe, die einem das Milchschäumen auch ohne großartige Kenntnisse ermöglichen soll. Das Problem dabei ist, dass dadurch “richtiger” Milchschaum nur schwer möglich ist, weil man keine Kontrolle über Ziehen und Rollen hat. Hier hilft ein Austausch der Dampflanze gegen die von der Rancilio Silvia (gibt es z.B. bei EspressoXXL, Artnr. R9046). Ganz nebenbei sieht die Silvia-Dampflanze auch noch professioneller aus:
Das Dampfrohr der Silvia (Quelle: Rancilio)
  • Timing beim Umschalten auf Dampftemperatur: Ein Geheimtip für maximale Dampfpower ist, nach dem Umschalten nicht bis zum Leuchten der Lampe zu warten, sondern den Dampfhahn zunächst sofort für ca. 10 Sekunden zu öffnen, um das Kondenswassser abzulassen. Nach weiteren 30 Sekunden dann mit dem Schäumen beginnen, ohne auf das Lampensignal zu warten. Effekt: Der Dampf hält deutlich länger an, weil die ganze Zeit von der Maschine geheizt wird. Diese Tips kommen von Andreas und Bernhorst aus dem Kaffee-Netz-Forum
  • Zur Gaggia CC gibt es auch schöne Videos von Andreas im Kaffee-Netz, die oben genannte Punkte illustrieren.

Vibiemme Domobar

  • Modifikation: Mit der Standard 4-Loch Düse haben viele Anwender Probleme, die meist durch den Austausch gegen eine 2-Loch-Düse behoben werden (auch z.B. bei EspressoXXL). Dieser Tip kommt von Frank aus dem Kaffee-Netz-Forum
  • Timing beim Umschalten auf Dampftemperatur: Sofort nach dem Betätigen des Dampfschalters das Ventil aufdrehen, um das Kondenswasser abzulassen. So ungefähr 10-20 Sekunden offen lassen bis nur noch Dampf kommt, dann Ventil wieder zu. Aber dann auch hier nicht warten bis die Heiz-Lampe ausgeht, sondern vorher anfangen zu schäumen. Effekt: Die Maschine heizt noch nach während man schon schäumt und der Druck hält länger an. Dieser Tip kommt von Herrn Beilhard von EspressoXXL


Danke

Danke an die Mitglieder des Forums Kaffee-Netz.de, insbesondere an

  • Marcus: Für seine zahlreichen Tips und für seine Rolle als Protagonist in den oben verlinkten Videos auf der Seite des Latte-Art-Artikels
  • blu: Für das Aufnehmen des ersten dieser VIdeos auf dem Boardtreffen 2006
  • Gerd: Für den super Tip mit dem Üben mit Wasser
  • Alle anderen für die Ratschläge und Diskussionen

Autor: Christian Weinert