Erfahrungsberichte zur Sonia AL
First Contact
Meine ganz perönliche Affäre mit Sonia begann mit einem blind date - von einer ominösen Beschreibung und unscharfen Fotos auf ebay verlockt und ohne grosse Restaurierungskenntnisse, aber nach gewonnener Auktion und 200 km Fahrt in die oberste Oberpfalz gekommen, stand sie in einem Keller und war nur schwer zu bewegen, mit mir die Treppe empor zu steigen. Der Verkäufer war voller Unverständnis, wie jemand "für so einen Haufen Altmetall" so viel Geld bieten konnte und half nicht nur beim Tragen, sondern schenkte die (farblich) passende Mühle (allerdings ohne Bohnenbehälter) gleich mit dazu. So beladen kam die Dame zu mir und fand ihren ersten Platz nicht in der Küche, sondern auf der Werkbank.
Restaurierung
Damit begann der zweite Abschnitt unserer Beziehung - das Kennenlernen. Auch wenn es sonst nicht unbedingt meinen Gewohnheiten entspricht: Bei Sonia fielen die Hüllen gleich am ersten Abend und sie zeigte alle inneren Werte, wobei auch ihre Schwächen schnell zu Tage traten. Der Dame fehlte nicht nur die innere Hitze (das hatte schon in der Beschreibung gestanden), sondern auch ein undichter Gas-Presso (mit dem niemand gerechnet hatte, weil von einer Gasheizung nie die Rede gewesen war) und eine gebrochene Feder deuteten auf eine längere Leidensphase hin - von wegen "hat bis zu ihrem Ausbau leckeren Espresso gemacht..."
Insgesamt trotzdem ein Schnäppchen und eine phantastische Gelegenheit, sich mit den grundsätzlichen Eigenschaften der Maschine vertraut zu machen, sprich alle Schrauben zu lösen und alles, was in irgendeiner Weise mit Wasser oder Kaffee in Berührung gekommen war, wahl- und wechselweise in Zitronensäure und PulyCaff zu baden. Bei der Grösse einer Gastromaschine tun dabei solche Dinge wie ein stabiler 15l-Eimer und eine beheizbare Ultraschallwanne grösseren Ausmasses gute Dienste, ausserdem sollte man mit der Zitronensäure nicht geizig sein - ca. 1 kg sollte schon vorhanden sein, um nicht mittendrin unverrichteter Dinge aufhören zu müssen. Neben den wirklich fehlenden Dingen wie Feder, Heizung und Dampfrohr habe ich auch alle (!) Dichtungen und Kabel ersetzt, der Dame einen Netzschalter spendiert und die meisten Schrauben, die nicht sowieso schon aus Edelstahl waren, durch solche aus VA ersetzt. Im Nachgang wurde dann noch der ausgeschlagene Hebelansatz ausgetauscht und die Kolbendichtungen neu gefettet (das hatte ich beim ersten Zusammenbau sträflich vernachlässigt).
Einzige Komplikation dabei waren ein gerissenes Rohr zur Wasserstandsanzeige, dass ich aber mit Hilfe eines Installateurs selbst zusammengelötet habe, und die Verschlussschraube für den Anschluss der Gasheizung, deren Grösse ich immer wieder falsch bestellt habe ... Der meiste Aufwand bei der Restaurierung war dabei nicht die Arbeitszeit, sondern die Wartezeiten, bis die Zitronensäure wirkt - oder die bestellten Teile kommen - oder die falsch bestellten Teile richtig kommen - oder das passende Werkzeug gekauft ist. An Spezialwerkzeug waren in meinem Fall neben einem Satz ordentlicher Gabelschlüssel und einem Rollgabelschlüssel (die Muttern an Dampf- und Wasserventil sind 35er Muttern) nur ein Abzieher für Achse und Kugellager der Hebelführung (gibt es für einen Fünfer im Eisenwarenhandel) und ein selbst gebasteltes Hebelchen mit zwei M5 Schrauben als Zapfen erforderlich, mit dem der Kolben von seiner Achse geschraubt werden kann, was man zum Austausch der Feder braucht. Insgesamt ist die ganze Geschichte (ohne Wartezeiten) an drei bis vier Nachmittagen problemlos zu bewältigen, man darf allerdings keine Angst vor schwarzen Fingern haben. Kaffeefett ist da ganz grässlich und schwer abzukriegen.
Für die Verkabelung habe ich Silikon ummanteltes Herdkabel genommen - das hatte der Elektriker da, Saunakabel (das im Netz empfohlen wird) hätte er auf der 100m Rolle bestellen müssen, und ich wollte eigentlich nur 2 Meter kaufen. Die Heizung besteht aus zwei unabhängigen Heizkreisen, die in meiner Version (380V) wohl ursprünglich einzeln angefahren wurden - bei einer Gesamtleistung von 2000 Watt nicht unbedingt nötig, ich habe daher die beiden Heizkreise in Reihe geschaltet und bis heute funktioniert es prächtig.
Einen bebilderten Bericht der Restaurierungsarbeiten gibt es hier im Kaffeenetz
Benutzung
Die Benutzung einer Gastro-Handhebel unterscheidet sich ein wenig von der Benutzung einer Haushaltsmaschine. Das liegt an mehreren Faktoren:
- Boilergrösse
Ein 5l-Boiler stellt einfach eine grössere thermische Masse dar, die erst einmal aufgeheizt sein will. Sonia braucht ca. 20 Minuten, bevor der Presso das erste Mal schaltet. Da sie kein automatisches Unterdruckventil besitzt, habe ich mir angewöhnt, den Dampfhahn beim Einschalten aufzumachen - wenn Sonia leise pfeift, zumachen und zwei Minuten später ist die Dame auf Dampf.
- Gruppenmasse
Die Brühgruppe wiegt ca. 7 kg. Das sind ungefähr zwei komplette Pavonis einschliesslich Kessel und allem Drum und Dran. Der Nachteil ist, dass diese Masse erst einmal aufgeheizt sein will, der Vorteil, dass sie einmal aufgeheizt aber thermisch sehr stabil ist, sich also durch mehrere Espressi nicht aus der Ruhe bringen lässt - 50 Gramm Wasser haben gegen 7000 Gramm Metall keine Chance. Dieses Aufheizen kann man mit mehreren Leerbezügen beschleunigen, dann ist Sonia nach 30 Minuten fertig - macht man das nicht, sollte man eher 45 Minuten Zeit vor dem ersten Espresso einplanen.
- Kolbenmaße
Der in Sonia arbeitende Kolben hat einen Durchmesser von 50 mm bei einem Hub von ca. 26 mm - ein Kolbenhub entspricht damit ungefähr einer Wassermenge von 50ml. Von dieser Wassermenge bleibt je nach Preinfusionsdauer noch ein grösserer oder kleinerer Prozentsatz im Puck. Damit hat man üblicherweise einen kurzen Doppio mit einem Pull, den man problemlos auch alleine trinken kann.
- Federspannung
Die in einer Gastro verwendete Feder muss den Druck auf einer grösseren Fläche bringen und ist daher stärker als die in Haushaltsmaschinen verwendeten Federn, wenn diese denn überhaupt gefedert sind. Deshalb ist natürlich auch die zum Komprimieren dieser Feder erforderliche Kraft grösser. Dies wird zwar üblicherweise mit der Länge des Hebels ausgeglichen, grundsätzlich hat man aber beim Hebeln schon etwas in der Hand. Was dabei aber völlig entfällt, sind irgendwelche Bedenken, die Maschine könnte sich bei der Bedienung verwinden oder ähnliches. Wenn sich bei der Bedienung von Sonia etwas verwindet, dann die Arbeitsplatte oder der Barista, aber sicher nicht die Maschine. Mit der Wahl der richtigen Aufstellfläche und -höhe tut man sich daher zuallererst selbst einen Gefallen.
- Dampf
Die kleinen Maschinen dürfen nicht zu heiss gefahren werden, da sonst die Brühgruppen überhitzen. Bei der massiven Brühgruppe der Sonia stellt sich dieses Problem nicht, sodass die Dame je nach Kaffee problemlos mit 1,2 bar gefahren werden kann. Dabei stellt der 5l-Boiler einen ordentlichen Wirbelwind in die Kanne, mit ein bisschen Übung kann man aber sogar eine Einzelportion im 0,35l-Kännchen schäumen - man muss nur schnell sein. Die Dauer der Dampfspende ist unendlich - man könnte damit auch 2l-Kannen schäumen, wenn man möchte
- Zubereitung
In amerikanischen Foren liest man gerne die Beschreibung "then let the spring take over". Besser kann man es kaum beschreiben. Nach dem Füllen des Siebträgers und dem Einspannen, dem Niederdrücken des Hebel in die untere Position, bei der der Zylinder mit dem Boilerdruck gefüllt wird (cocking the lever) und dem Erscheinen der ersten Tropfen wird der Hebel gelöst und bis zum Erreichen eines Widerstandes nach oben geführt (bei Sonia ca. 45°). Dadurch ist der Nocken des Hebelansatzes überwunden (der die untere "Parkposition" ermöglicht) und die Feder hat den Druck im Zylinder aufgebaut. Hier lässt man den Hebel los und die Feder drückt durch ihre weitere Entspannung sowohl den Kolben nach unten und damit das Wasser durch den Kaffee als auch den Hebel nach oben und damit in die obere Parkposition. Der Hebel bewegt sich dabei mangels Widerstand gegenüber dem Kolben leicht voraus, d.h. die Parkposition wird eher erreicht als der untere Kolbentotpunkt. Diesen kann man daran erkennen, dass der Kaffee "blondet", also deutlich heller wird, was ca. 10 Sekunden nach dem Erreichen der oberen Hebelstellung eintritt. Zu diesem Zeitpunkt ist auch ein eventuelles Spiel des Hebels völlig verschwunden, d.h. die Feder drückt den Hebel an den oberen Anschlag. Das Federprofil sorgt dabei für einen leicht nachlassenden Druck gegen Ende des Vorgangs, was gerne für den "weicheren" Geschmack von Handhebel-Kaffee verantwortlich gemacht wird, da gegen Ende des Brühvorganges weniger (tendentiell bittere) Aromastoffe gelöst werden.
Voraussetzung ist allerdings ein ordentlich eingestellter Mahlgrad und ein Händchen für Menge und Tamperdruck - Magnetventile zum Druckabbau sind ohne Elektrik natürlich auch nicht da.
Alles in allem eine fast meditative Geschichte, die vor allem völlig geräuschlos vor sich geht - keine Pumpe surrt oder schnarrt, kein Wasser gluckst. Man hat auch alle Zeit, beim Durchlaufen, was so lange wie üblich dauert, schnell ein bisschen Milch zu schäumen, was erheblich schneller geht als mit üblichen Dampfboilern, die maximal ein Drittel der Grösse aufweisen. Von üblichen Einkreisern, bei denen erst noch die Temperatur hochgefahren werden muss, ganz zu schweigen.
Fazit
Das Abenteuer Gastro-Handhebel renovieren und nutzen hat sich für mich in mehr als einer Hinsicht gelohnt. Zu dem Spass am Basteln kommt inzwischen ein reger Kaffeetourismus bei mir im Büro, der wohl mit der erreichten Kaffeequalität in irgendeinem Zusammenhang steht - natürlich spielt auch eine Rolle, dass mit einer solchen Maschine auch umfangreichere Kaffeebestellungen in vertretbarer Zeit machbar sind. Finanziell hätte ich für das eingesetzte Kapital mit viel Glück eine gebrauchte Rancilio Silvia in gutem Zustand und ohne Mühle bekommen - wenn ich mich allerdings zwischen den beiden Damen entscheiden müsste, würde meine Wahl immer auf Sonia fallen. Nachdem ich aber glücklicherweise sowohl zu Hause als auch im Büro eine Espressomaschine brauchen kann, lebe ich weiter fröhlich mit beiden Damen.
Ich kann jedem Einsteiger eigentlich nur raten, nicht aus falsch verstandenem Respekt vor den Gastromaschinen zurückzuschrecken - gerade im Bereich Handhebel gibt es im Bereich der Haushaltsmaschinen nichts auch nur ansatzweise gleichwertiges.
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