Handhebelmaschinen: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 18. Oktober 2013, 13:12 Uhr
Handhebelmachinen waren die ersten Maschinen, die in der Lage waren, einen Espresso gemäß heutigem Verständnis zu brühen, also mit 9bar Druck bei 92°C, 7 Gramm Kaffee pro Tasse in 25 Sekunden.
Bei Handhebelmaschinen wird der Brühdruck durch einen Kolben in der Brühgruppe aufgebaut. Der Kolben wird dabei mit dem Handhebel zwischen Ruhestellung und Arbeitsstellung bewegt. In der Arbeitsstellung fließt Wasser in die Brühgruppe ein, die Bewegung zurück in die Ruhestellung und extrahiert den Espresso. Sowohl die Steuerung des Wassereinlasses als auch der Druckaufbau erfolgt so von Hand, die Kesselheizung kann mit Gas erfolgen. Die Handhebelmaschine ermöglicht so Espressozubereitung ohne Elektrik. Die erste Handhebelmaschine wurde von Achille Gaggia 1947 patentiert.
Seit Gaggias Patent verwenden fast alle Gastronomiemaschinen einen Kolben, der mit einer starken Feder gespannt wird. Die Ruhestellung des Hebels ist oben. Wird der Hebel nach unten gezogen, bewegt sich der Kolben in der Brühkammer nach oben, spannt die Feder und öffnet den Brühwassereinlass. Beim vorsichtigen Loslassen der Hebels wird der Wassereinlass durch den Kolben geschlossen und dann wird durch die Feder der Druck in der Brühkammer aufgebaut.
Der Zeitraum vom Einfließen des Brühwassers bis zum Erreichen des Brühdrucks wird als Präinfusion oder PI bezeichnet und ist eine Eigenschaft jeder Handhebelmaschine. PI bewirkt unter anderem eine gleichmäßige Befeuchtung des Pucks und kann Channeling entgegenwirken. Präinfusion ist bei Pumpenmaschinen nur mit appartivem Aufwand (Präinfusionskammer, Pumpenunterbrechung) möglich.
Während des Bezugs fällt der Druck mit der Entspannung der Feder langsam ab. Dies ergibt einen mild schmeckenden Espresso.
In den 1960er hielten die Maschinen mit elektrischer Pumpe und Magnetventil Einzug. Allen voran die FAEMA E61 verdrängte die Handhebelmaschinen fast überall aus den Bars. Lediglich in der Gegend um Neapel und in vielen südamerikanischen Ländern findet man auch heute noch solche Maschinen.
Bei Handhebelmaschinen können die Lösungen für das "Heizen der Brühgruppe" und "Erhitzung des Brühwassers" unterschiedlich ausgeführt sein. Die folgenden Abschnitten beschäftigen sich damit. Weiterhin gibt es besondere Konstruktionen, die nicht in das gewählte Schema passen.
Erhitzung des Brühwassers
Folgende Konstruktionen sind zur Erhitzung des Brühwassers bei Handhebelmaschinen verbreitet:
Einkreiser
Direkte Entnahme des Brühwassers aus dem Kessel.
Einkreiser, die das Brühwasser über ein Tauchrohr aus dem Kessel beziehen, werden auch als Dipper bezeichnet. Der Name leitet sich vom Tauchrohr ab. Dipper stellen die größte Gruppe der Handhebelmaschinen dar.
Astoria Perla, Izzo MayWay Pompei, LSM Leva sind typische Vertreter dieser Gattung. Ein typischer Kesseldruck liegt zwischen 0,8 und 1,5 bar, die Temperatur liegt damit zwischen 115 und 125°C. Die Brühgruppe übernimmt die Aufgabe, das Wasser auf die angestrebten 92°C abzukühlen. Je nach Kesseltemperatur muss die Brühgruppe dem Brühwasser also bis zu 33°C entziehen.
Überhitzung bei laufenden Bezügen kann ein Nachteil dieser Baurt sein. Insbesondere sind Haushaltsmaschninen mit kleinen Brühgruppen betroffen. Bei Gastronomiemaschinen braucht es aber schon einige Portionen Espresso a 50g in kurzer Zeit, um eine Brühgruppe mit großer Oberfläche und ca. 10kg Gewicht nachhaltig aufzuheizen. Das Problem entschärft sich weiter, wenn man mehrere Gruppen im Wechsel nutzen und der einzelnen Gruppe so mehr Zeit zum Abkühlen geben kann. Bei Dauerbetrieb und nur einer Gruppe hilft eine Absenkung des Kesseldrucks.
Es gibt auch Einkreiser, die ihr Brühwasser anders beziehen. Siehe Kapitel "Thermosiphon" und "Besondere Konstruktionen".
Zweikreiser
Ein Wärmetauscher befindet sich im Kessel, Leitungsdruck oder eine Pumpe fördern Frischwasser durch den Wärmetauscher in die Brühgruppe
Die historische Brugnetti Aurora wurde auch als Zweikreiser gebaut. Aktuelle Vertreter sind Victoria Arduino Athena Leva oder Bezzera Strega. Das Wasser wird mit Pumpe oder Leitungsdruck durch den Wärmetauscher gefördert. Bei laufenden Bezügen ist diese Bauart temperaturstabiler. Darüberhinaus kann die Verwendung von Frischwasser statt Kesselwasser geschmackliche Vorteile bringen.
Offener Wärmetauscher
Der Wärmetauscher wird mit Kesselwasser gefüllt. Diese Bauart ist nur für Thermosiphonmaschinen sinnvoll.
Vertreter dieser Bauart sind z.B. Faema Lambro, Bezzera 2000AL oder Londinium L1. Der Kessel sieht wie der eines Zweikreisers mit Wärmetauscher aus. Es fehlt aber der Frischwasserzulauf, dafür hat der Wärmetauscher im unteren Bereich innerhalb des Kessels ein Loch in Leitungsstärke, durch das Kesselwasser einfließen kann. Ein Wärmetauscher garantiert konstanten Wasserstand und Blasenfreiheit und schafft so wesentliche Voraussetzungen, damit sich eine Thermosiphonströmung dauerhaft und mit definierter Wärmeübertragung ausbilden kann.
Heizen der Brühgruppe
Beim Bezug kommen z.B. ca. 50g Wasser in eine Brühgruppe von ca. 10kg. Für gleichmäßige Extraktionen muss die Gruppe eine genau definierte Temperatur haben. Siehe auch Artikel Brühgruppe.
Gängige Bauarten sind
- Beheizung über den Kesselflansch.
- Beheizung über einen Thermosiphon (Gruppe nicht am Kessel angeflanscht, sondern am Chassis befestigt)
- Elektrische Brühgruppenheizung
Bei sehr vielen Maschinen wird die Brühgruppe über den Kesselflansch beheizt, wie z.B. Astoria Perla Leva, Izzo MayWay Pompei, La Pavoni, Ponte_Vecchio_Export, Olympia Cremina. Auch die Brühgruppe des Zweikreisers Brugnetti_Aurora wird so beheizt.
Maschinen mit Thermosiphon sind z.B. Londinium L1, die historische Faema Lambro und die kleine Ponte Vecchio Lusso.
Eine elektrische Brühgruppenheizung verwendet z.B. Bezzera Strega.
Besondere Konstruktionen
Gastronomiemaschinen
Es gibt ein paar paar besondere Konstruktionen, die nicht ganz in das hier vorgestellte Schema passen.
- Faeme "Velox": Ein kleiner Kessel ist in der Brühgruppe integriert. Mit einem weiteren Dampfkessel baute Faema so einen Handhebel-Dualboiler. Z.B. die exotischen Velox-President Maschnine.
- Carimali mit Schärf Handhebelgruppe mit integriertem Brühboiler. Spitzname Schärfimali.
- La San Marco "Disco Volante" und andere: Der Handhebel bewegt die Brühgruppe, der Kolben ist starr.
- Bosco, alle: Die Gruppe ist nicht direkt am Kessel angeflanscht, sonder über ein Zwischenstück mit einem Brühwasserreservoir im Oberteil. Aus diesem Reservoir bezieht die Gruppe ihr Wasser. Sozusagen ein Dipper mit Zwischenspeicher.
Die Liste ist bei weitem nicht vollständig.
Haushaltsmaschinen
Die in der Gastronomie verwendeten Gruppen mit starken Federn sind im Haushalt nicht ungefährlich. Ein gespannter Hebel ist in der Lage einen Kiefer zu brechen. Im Haushalt haben Familienmitglieder und Besuch meist direkten Zugang zur Maschine und können so den Gefährdungsbereich betreten.
Es gibt spezielle Handhebelmaschinen, meist für nur eine Portion mit deutlich reduziertem Durchmesser des Kolbens und daher deutlich schwächeren Federn oder auch ganz ohne Feder. Sie sind daher haushaltskompatibel.
Brühgruppe ohne Feder
Kleine Haushaltsmaschinen können auf eine Feder in der Brühgruppe verzichten. Die Ruhestellung des Hebels ist dann unten, die ergonomische günstigere Bewegung des Hebels von oben nach unten wird zum Aufbau des Brühdrucks verwendet. Der Barista muss dafür sorgen, dass er gerade soviel Druck auf den Hebel gibt, dass in der Brühkammer möglichst konstant ein Druck von 9 bar anliegt.
Vertreter dieser Bauart sind Pavoni, Poccino oder auch die Olympia_Cremina.
Durch ihre kleinen Brühgruppen können sie nur für die ersten Bezüge das Kesselwasser auf Brühtemperatur abkühlen. Nach ein paar Bezügen hat sich die Gruppe soweit aufgeheizt, dass beim Bezug der Kaffee verbrennt und ungenießbar bitter wird. Man kann der Überhitzung begrenzt entgegenwirken, indem man nach jedem Bezug den Siebträger auskühlen lässt oder mittels kaltem Wasser abkühlt.
Druckloser Kessel
Völlig ohne Überhitzungsproblematik ist die Konstruktion des offenen Kessels. Diese Bauart wurde vor allem bei Haushaltsmaschinen der 1960er Jahre verwendet. Ein bekannter Vertreter ist die La Peppina. In einem offenen hochgelegenen Kessel wird Wasser zum Kochen gebracht. Durch vollständiges Drücken des Hebels wird das Einlassventil durch den Kolben geöffnet und Brühwasser fließt unter Schwerkraft in die Brühkammer. Dabei wird die Feder vorgespannt. Beim Loslassen des Hebels wird der Espresso extrahiert.
Wegen des druckfreien Kessels muss die kleine Brühgruppe das Wasser nicht wesentlich abkühlen und überhitzt nicht. Ohne Kesseldruck besteht natürlich keine Möglichekeit, Milch aufschäumen.
Links
- Francesco Cecarellis Handhebel-Seite mit ausführlicher Pavoni-Historie
- Orphan Espresso - viele Bilder (und Ersatzteile) von seltenen Handhebelmaschinen